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Mehrsprachigkeit

Mehrsprachigkeit, was ist das? 

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird anstelle von Mehrsprachigkeit häufig der Begriff Zweisprachigkeit/Bilingualismus verwendet. Hinsichtlich von zweisprachig aufwachsenden Kindern ist damit gemeint, dass zwei Sprachen zur gleichen Zeit erworben werden: Bilingual aufwachsende Kinder lernen also die Laute, Wörter und die Grammatik von mindestens zwei unterschiedlichen Sprachen parallel. Dies bedeutet, dass sich diese beiden Sprachen aufgrund der Laute, des Wortschatzes und der Grammatik, aber auch aufgrund ihrer Geschichte und ihres sozio-kulturellen Hintergrundes unterscheiden lassen. Der gleichzeitige Erwerb beispielsweise von Hochdeutsch und Sächsisch wird also nicht als Mehrspracherwerb gewertet.  

Generell gilt: Kinder, die bis zum Zeitpunkt des Erwerbs des Deutschen eine normale sprachliche Entwicklung in ihrer Muttersprache (z.B. Türkisch oder Russisch) durchlaufen haben, haben in der Regel keine Probleme mit dem Zweitsprachenerwerb. Mehrsprachigkeit stellt also normalerweise  kein Problem dar, sondern wirkt sich eher unterstützend auf die kognitive Entwicklung der Kinder aus. Daher sollte der Erwerb mehrerer Sprachen auf jeden Fall unterstützt werden.  

Typische Kennzeichen des Mehrspracherwerbs 

Der Erwerb mehrerer Sprachen gleichzeitig oder auch nacheinander ist zwar bei jedem Menschen unterschiedlich, weist aber bestimmte Kennzeichen auf:  

Asynchronität des Verlaufs
Damit ist gemeint, dass die sprachliche Entwicklung im Falle von Bilingualität in einer Sprache manchmal schneller verläuft als in der anderen.
 

Beispiel:
"Max baut ein Turm" - Konjugiertes Verb in Zweitstellung (Phase IV)
"Max doing": Verb nicht konjugiert (Phase II)
Während im deutschen Satz das Verb bereits konjugiert wird, ist dies im Englischen noch nicht der Fall. Daher befindet sich das Kind in den beiden Sprachen in zwei unterschiedlichen Entwicklungsphasen (Phase IV bzw. Phase II). 
 

Der Spracherwerb mehrsprachig aufwachsender Kinder verläuft in der Regel nicht langsamer als der einsprachig aufwachsender Kinder. Unter Umständen kann sich der Erwerb der einen Sprache sogar beschleunigend auf den Erwerb einer anderen Sprache auswirken.

Metasprachliche Fähigkeiten

Die Kinder wissen oft schon sehr früh, dass sie unterschiedliche Sprachen erlernen und teilen dies auch mit.
 

Beispiel:
Mutter: "Miss Schmidt has told me that they performed a 'Kasperletheater“ today'"
Kind: "Du  meinst eine "Punch and Judy show", oder?
Dem Kind ist bewusst, dass in der Kita (Miss Schmidt) eine andere Sprache gesprochen wird als zu Hause, gleichzeitig formuliert es diese Beobachtung in einer Art "Mischäußerung". 

Mischäußerungen
Während des Spracherwerbs kommt es zu Mischäußerungen, d.h. die Kinder sprechen in einer Mischung aus Wörtern der unterschiedlichen Sprache und/oder übertragen grammatische Regeln der einen in die andere Sprache (Interferenzen):
 

Beispiele:
"Er fährt mit die bicycle".
Das Kind setzt ein Nomen aus der Erstsprache ein, weil wahrscheinlich das Wort im Deutschen nicht präsent ist.
"Er hat run away".
Es kombiniert das Personalpronomen und das Hilfsverb des Deutschen mit dem englischen Partizip Perfekt. Die Wortordnung gilt für beide Sprachen, was die Kombination sicherlich erleichtert.
 

Interferenzen
Beim Erwerb des Deutschen als Zweitsprache kommt es zu ganz typischen "Fehlbildungen", die nicht mit "Sprachstörungen" zu verwechseln sind. Dabei werden Regeln von der einen Sprache in der anderen Sprache angewendet:
 

Beispiele:
* Verwechslung des Geschlechts, z.B. "die Auto"
* Fehlerhafter Gebrauch von Präpositionen: "bei die Baum" (statt: am Baum)
* Auslassungen von Artikeln: "auf Baum"
* Verbendstellung: „mama blumen kauft“
Ein normal entwickeltes Kind kann Mischäußerungen und Interferenzen im Laufe der Entwicklung entweder alleine oder aber mit Hilfe von Förderung bewältigen.

Wie kann der Mehrspracherwerb unterstützt werden? 

Ein Kind wird, egal ob es eine oder mehrere Sprachen erwirbt, immer von ähnlichen Verhaltensweisen Erwachsener zur Unterstützung der Sprachfähigkeit profitieren. Dabei sind die Qualität und Quantität des Inputs beim Erwerb mehrerer Sprachen von besonderer Bedeutung.

Qualität bedeutet, dass Eltern und andere Interaktionspartner, wie z.B. Verwandte oder Freunde, in der Sprache zu einem Kind im Spracherwerb sprechen, die sie am besten beherrschen. Ein Kind, das zum Zeitpunkt des Kindergarteneintritts noch nicht die deutsche Sprache spricht und den Erstspracherwerb noch nicht abgeschlossen hat, sollte auf jeden Fall darin unterstützt werden, den Erstspracherwerb abzuschließen. Seine Eltern sollten weiterhin in ihrer Muttersprache mit ihm sprechen.

Quantität bedeutet, dass ein Kind möglichst häufig die Sprachen anwenden kann, die es erwirbt. Mehrsprachig aufwachsende Kinder sollten deshalb in einen Kindergarten gehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die deutsche Sprache im Kindergartenalltag entsprechend präsent ist, d.h. deutschsprachige Kinder und ErzieherInnen ein "Sprachbad" in der deutschen Sprache ermöglichen. In der Kommunikation mit ErzieherInnen und im Spiel mit anderen Kindern können mehrsprachige Kinder hier die deutsche Sprache relativ mühelos erlernen. Zudem sollten mehrsprachig aufwachsende Kinder ihre deutschsprachigen Freunde auch außerhalb des Kindergarten zum Spiel treffen; diese Kontakte vervielfältigen das sprachliche Angebot.. Optimal sind Einrichtungen, in denen sowohl die bis dahin erworbene Sprache, z.B. Türkisch, als auch die deutsche Sprache angeboten wird. 
 

Tipps für Eltern 

Sprachförderung im Alltag 

Eltern können die Sprachentwicklung ihres Kindes nicht mehr vorantreiben, als die biologischen Gegebenheiten es vorgeben (Ein Obstbaum wächst auch nicht schneller, wenn man an ihm zieht!). Aber Eltern können - vergleichbar einem Gärtner in seinem Garten - für gute Wachstumsbedingungen sorgen, indem sie ihr Kind mit ausreichender "Nahrung" versorgen und für ein "gutes Klima" sorgen.

Bezogen auf die Kindesentwicklung bedeutet dies, dass Kinder die Möglichkeit haben, viele Umwelterfahrungen zu sammeln, und Eltern ihnen eine sichere ermutigende Beziehung bieten.

Da die Sprachentwicklung ein Teil der Gesamtentwicklung des Kindes ist, sind alle Arten von Umwelterfahrungen (Erfahrungen mit Bewegung, mit Gefühlen, mit zwischenmenschlicher Verständigung und mit zu lösenden Problemen) wichtig für die Sprachentwicklung.

Kinder erfahren im Spiel die Welt und lernen dabei ihre Muttersprache.
 

  1. Sie sehen Formen und Farben.

  2. Sie hören Geräusche, Musik oder Laute.

  3. Sie berühren harte, weiche oder raue Gegenstände.

  4. Sie bewegen Dinge oder sich selbst.

  5. Sie schmecken, ob etwas süß, sauer oder bitter ist. 

So tragen Spiele dazu bei, Sprache im Alltag zu erlernen und Erfahrungen  mit unterschiedlichen Spielpartnern in unterschiedlichen Situationen zu sammeln.

Sprache wird am besten gelernt in positiver, fröhlicher Atmosphäre und in Verbindung mit kindgerechten Spielen. Eltern verfügen über intuitive Fähigkeiten, sich an die anfangs eingeschränkten Möglichkeiten ihres Kindes anzupassen. Eltern brauchen deshalb auch keine besondere Ausbildung. Einfühlungsvermögen und gutes Zuhören reichen in der Regel aus.
 

  1. Erzählen Sie Gute-Nacht-Geschichten!

  2. Lesen Sie Ihrem Kind vor!

  3. Erklären Sie Ihm die Welt!

  4. Lachen und singen Sie mit Ihm! 

Niemand kann das alles besser als Sie!
Jeder Tag, den Sie gemeinsam mit Ihrem Kind verbringen, bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Förderung der sprachlichen Entwicklung. Dies geschieht wie nebenher, ganz beiläufig, ohne ein besonderes Programm.

Spielen Sie mit Ihrem Kind, so oft es geht!
Durch gemeinsame Spiele mit Ihrem Kind fördern Sie ganz beiläufig, im täglichen Miteinander, den Spracherwerb. In Spielen entdecken Kinder, wie Dinge sich anfühlen, was Dinge bedeuten, wie etwas funktioniert, wer welche Rolle spielt usw. Auf diese Weise lernen Kinder die Bedeutung von Wörtern und auch, wie man Sprache  im Alltag, in Gesprächen einsetzt.

Erzählen Sie Geschichten und lesen Sie vor!
Wenn Kinder Geschichten hören, lernen sie viele Dinge gleichzeitig. Sie müssen aufmerksam sein und sich konzentrieren, um eine Geschichte zu verstehen. Sie merken sich bestimmte Dinge, die ihnen wichtig sind, und erinnern sich daran. Sie lernen auch etwas über die Artikulation der Laute und die Bedeutung der Betonung im Satz (z. B. Frage - Antwort). Sie lernen viele neue Dinge kennen und bauen so ihren Wortschatz immer weiter aus.
Für jede Altersstufe haben wir Ihnen ein paar Vorschläge zum Spielen, Erzählen und Vorlesen gemacht, klicken Sie einfach auf das jeweilige Lebensalter in der rechten Spalte.

Quellen : Deutscher Bundesverband für Logopädie e.V. (dbl)
Quelle:
.www.sprich-mit-mir.org